Kristalline Oxide auf Silizium

Siliziumdioxid (SiO2) wurde seit den 1950er Jahren als Gate-Isolator in Feldeffekt-Transistoren eingesetzt, wobei sich die Dicke dieser Isolationsschicht notwendigerweise in jeder neuen Technologiegeneration verringern muss. Das neue, fundamentale Problem bei der Verwendung von sehr dünnen Isolatorschichten besteht im exponentiellen Anstieg des direkten Tunnelstroms (Leckstrom) mit abnehmender Schichtdicke. Bei einer Spannung von einem Volt ergibt sich beispielsweise für eine drei Nanometer dicke SiO2-Schicht ein Leckstrom von ungefähr 10-6 Ampere pro Quadratzentimeter. Reduziert man die Oxiddicke um den Faktor 2, so steigt der zu erwartende Leckstrom um sechs Größenordnungen. das heißt auf ~ 0.5 Ampere pro Quadratzentimeter. Damit wird deutlich, dass sich SiO2 in Zukunft nicht mehr als Gate-Isolator für ultrakleine und damit ultraschnelle Transistoren eignet. Um die Leckströme durch den Gate-Isolator zu verringern und gleichzeitig das Schaltverhalten der Transistoren nicht zu verändern, müssen diese neuen Materialien eine höhere Dielektrizitätskonstante als SiO2 aufweisen.

Weltweit werden gegenwärtig überwiegend amorphe High-k-Materialien untersucht. Diese sehr ionischen Metalloxide besitzen relativ niedrige Kristallisationstemperaturen, bei denen sich polykristalline Phasen ausbilden. Diese Phasen sind aufgrund der hohen Leckströme entlang der Korngrenzen sowie der verstärkten Oberflächenrauhigkeit als Gate-Isolator ungeeignet. Für die bekanntesten High-k-Materialien, wie HfO2 oder ZrO2, werden diese Temperaturen in einem CMOS-Prozess deutlich überschritten. Spezielle Maßnahmen zur Erhöhung der Kristallisationstemperatur (z.B. die Beimischung von Si oder Al) sind immer nur als Kompromiss zu bewerten, da sie mit einer Reduzierung der k-Wertes und damit der möglichen Schichtdicke verbunden sind. Eine Alternative ist der Einsatz von epitaktisch gewachsenen, kristallinen High-k-Materialien, bei denen keine Gefahr der nachträglichen Kristallisation besteht. Damit ergibt sich eine deutlich verbesserte thermische Prozessstabilität. Weiterhin ist die Grenzfläche zum Silizium wohldefiniert, sodass sich bessere Möglichkeiten zum Grenzflächenengineering ergeben. Das Wachstum epitaktischer High-k-Materialien auf Si erfordert eine gewissen Übereinstimmung in den Atomabständen und der Gittersymmetrie und reduziert somit die Anzahl geeigneter Materialien. Neben verschiedenen epitaktischen Perovskit-Strukturen kommen außerdem einige binäre Metalloxide (insbesondere epitaktisch gewachsene binäre Selten-Erden-Oxide, siehe Abbildung) infrage.

Diagramm der Gitterfehlanpassung verschiedener Selten-Erden-Oxide auf Silizium bzw. Germanium Diagramm der Gitterfehlanpassung verschiedener Selten-Erden-Oxide auf Silizium bzw. Germanium Diagramm der Gitterfehlanpassung verschiedener Selten-Erden-Oxide auf Silizium bzw. Germanium © MBE 2020
Gerenderte Einheitszelle von Gd2O3 Gerenderte Einheitszelle von Gd2O3 Gerenderte Einheitszelle von Gd2O3 © MBE 2020

Das MBE-Institut beschäftigen seit mehreren Jahren mit dem epitaktischen Wachstum von  kristallinen Seltenen-Erden-Oxiden auf Si-Substraten. Als Modellsysteme werden dabei die Sesquioxide Gadoliniumoxid (Gd2O3) und Neodymoxid (Nd2O3) untersucht. Beide Oxide treten in dergleichen kristallografischen Struktur  auf, wobei Gd2O3 einen kleineren Gitterabstand als Silizium aufweist während Nd2O3 größer als Silizium ist. In der Vergangenheit wurden ternäre Mischschichten der Form (Gd1-xNdx)2O3 (mit x = 0…1) auf Silizium gewachsen, d.h. die Gitterfehlanpassung konnte durch die Wahl der Zusammensetzung durchgestimmt werden. Auf diese Weise konnten erste Informationen zumr Einfluss der Gitterverspannung auf dielektrische Eigenschaften von ternären Schichten gewonnen werden [1].

[1] D. Schwendt: Charakterisierung von binären und ternären Seltene Erden Oxiden, Dissertation, Gottfried-Wilhelm Leibniz Universität Hannover, 2012.